Reisen des Bork Langarm
294. Aschezyklus
Der Bär kam wie aus dem Nicht. Seinem Biss konnte ich zwar entgehen, doch seine grausamen Krallen trafen mich. Ich war einfach zu unbedachte gewesen, allein seiner Fährte zu folgen. Ein weiterer Prankenhieb, ein Sprung zurück,
ein Knacken unter meinen Füßen. Beinahe hätte ich vergessen, dass ich gerade auf einer Klippe in den Flammenden Spitzen bin. Der Bär brüllte erneut auf und richtete sich vor mir auf, um mir des Todes stoß zu versetzen. Jedoch bricht
plötzlich die Kante unter unseren Füßen weg und ich und der Bär befinden uns in der Luft.
Der Fall war nicht lang, doch der Aufschlag war übel. In einer Felsen- und Steinlawine ging es zur nächsten Bruchkante und über sie
hinweg. Und wieder fiel ich und schlug schließlich auf Wasser auf...
Ich weis nicht wie ich es überlebte, doch das nächste an das ich mich erinnere ist, dass ich die Augen aufschlug und der Himmel war… Leinenfarben braun?
Mir ist absolut nicht gut, alles tut weh und obwohl ich schwitze, war mir eiskalt. Kurzgesagt ich habe Fieber. Als ich mich dennoch aufrichten will fällt mir auf, dass meine Handgelenke ans Bettgefesselt sind. Eine Frau tritt in mein Sichtfeld,
Ihr Name ist Gudrun Winterpelz und sagt es sei ein Wunder, dass ich wach sei. Denn als sie mich vor 3 Tagen fanden hing ich blutend zwischen den Ästen eines in einen Bachgefallenen Baumes. Doch nun wo ich endlich wach sei können sie werden sie
mich erstmal befragen über Avis und wie es hier so sei und noch einiges mehr. Ich solle bis dahin still sein und keinen Ärger machen bis ihr Bruder, Gan Winterpelz, da ist. Dann würde mich auch nichts passieren. Meine Waffen hat sie mir alle
abgenommen und wenn ich nicht hören wolle, nun ja dann atme ich schnell durch zwei Münder. Ihre kurze nachfrage, nach der nächsten Siedlung beantworte ich kurz angebunden. Taran, dies war also ihr Reiseziel, viel weiß ich nicht über den Ort.
Nur das er nahe einer Geschützen Lage an einem Ausläufer der Flammen Spitzen liegt. Auf meine Rückfrage was sie da wolle antwortet sie nicht und verschwindet wieder. Ich ergebe mich der Dunkelheit der Fieberträume.
Lärm von draußen
lässt mich hochschrecken, nach wie vor gefesselt. Der Ruf Händler dringt durch die Leinenwände. Unser Wagen hält an. Ich höre Gemurmel von stimmen und dann schreie. Der Satz „Das ist eine Falle“ schallt über die Schreie von verwundeten
Menschen. Ich höre das surren von Bögen und dann auch das klirren von Schwertern und Scheppern von Schilden. Draußen wird gekämpft doch wer kämpft da. Ich verrenke mich soweit wie möglich um an einen meiner Verstecken Messer zu gelangen
und tatsächlich. Es ist noch da. Es ist ein sehr kleines, kaum gefährliches Messer. Aber zum zerschneiden der Stricke muss es reichen. Es dauert quälend lange bis der erste Strick reißt. Gerade als ich mich am zweiten zu schaffen mache
erklingt von draußen ein lautes Brüllen. Der Kampflärm intensiviert sich noch mehr. Vorsichtig arbeite ich mich zur Rückseite des Wagens, wo es Stiller zu sein scheint. Glücklicher weise liegen hier meine, wohl restlichen, Ausrüstungsteile.
„Für den Phönix“ hallt es plötzlich von draußen, worauf ein martialisches Krachen von zwei Schildwällen folgt. Als ich mich hinten aus dem Wagen hieve und seitlich vorbei linse sehe ich wie einige unserer geschätzten Phönixgarde am Rand
eines unübersehbaren Getümmel Kämpfen. Ihnen gegenüber stehen ein paar Große Krieger mit Bärenpelzen unter ihnen ein regelrechter Hühne, der mit seinem Schild gerade den Schild eines Gardisten wegdrückt, als wäre dieser ein Kind. Weitere
der Garde stürzen sich im Laufschritt in den Kampf, die Garde ist wohl gerade erst hinzugestoßen. Als ich mich gedruckt Richtung Wald aufmache und einen Blick über die Schulter werfe, sehe ich noch Gudrun mit einem Händler kämpfen.
Ich suche mir ein Sicheres versteck in der nähe vom Weg. Fürs erste muss ich mich ausruhen. Meine Wunden ziehen und ein Riss ist aufgebrochen. Von meinem Versteck aus kann ich beobachten wie der Bärenahne einen Phönixgardisten nach den
anderen niederstreckt. Seiner rohen Gewalt scheint keiner gewachsen zu sein. Doch auch einige seiner Leute fallen unter den Waffen der Garde. Nach der letzte der Gardisten gefallen ist steht nur noch der Bär, blutüberströmt und selber blutend,
doch er steht noch. Trotz der Entfernung kann ich hören wie er Kopfschüttelnd und mit trauer in der Stimme folgende Worte sagt: „Nichts hat sich geändert, überall ist es gleich. Nur die Starken überleben, ich hätte meine Schwester nicht allein
vorschicken dürfen.“ Nach diesen Worten dreh er sich um und geht zu den überlebenden seines Clans, auch Gudrun ist unter ihnen.
Doch ich habe lange genug hier verharrt. So leise wie möglich verschwinde ich in den Wäldern, Richtung Taran…
Die vielen Umweltkatastrophen und das Auftreten fremdartiger Clans haben viele Bewohner von Avis dazu veranlasst, sich auf den Weg zu machen und der Ursache auf den Grund zu gehen. Unter ihnen befand sich auch Soho vom
Clan des Ebers, den seine Reise am Ende sogar bis ins Reich des Phönix geführt hat, in das sonst nur die Toten gelangen können. Dort sprach der Phönix selbst zu ihm und schickte den Gelehrten zurück zu den Lebenden, damit er seine Worte
mit ihnen teile. Doch was Soho zu berichten hatte, ließ wenig Gutes erahnen. Er behauptete, dass der Phönix im Sterben liege, seine Flamme sei kurz vorm Erlöschen. Wann genau dies geschehen wird, wie oder ob es überhaupt zu verhindern ist,
das weiß niemand zu sagen. Doch noch würde Hoffnung bestehen, solange die Clans in Einigkeit zusammenstünden. Soho erzählte außerdem, dass es neben Avis noch eine zweite Welt gibt: Siva, die Welt des Schattens und der Dunkelheit. Die
Schleier, die nun überall auf dem Kontinent auftreten, bilden Übergänge zwischen diesen beiden Welten, durch die die fremden Clans und die Ungeheuer nach Avis gelangen konnten. Welche Absichten die fremden Clans allerdings hier in dieser Welt
genau verfolgen, ist ebenfalls nicht bekannt. Es kam allerdings bereits zu (zum Teil auch bewaffneten) Konflikten.
Im Anfang war das Chaos. Das Nichts war Dunkelheit und in der Dunkelheit war ein Durcheinander widerstreitender Elemente, jedes darauf bedacht, die anderen zu unterwerfen. Doch allein konnte keines die Oberhand gewinnen.
So existierte nur die Unordnung, für ungezählte Äonen, ehe die Zeit begann.
Dann erschien am Horizont ein gleißendes Licht, dass die Dunkelheit vertrieb und das Chaos erhellte. Es war der große Phönix, dessen Ursprung in den Untiefen der Zeit verborgen liegt. Mit seinem Licht und Feuer vertrieb er die ewige Nacht der Urzeit.
Er ordnete die Elemente, lehrte sie die Zusammenarbeit und, dass sie nur gemeinsam Großes vollbringen konnten. So wurde die Entstehung aller Dinge und allen Lebens ermöglicht.
Die Erde lehrte der Phönix, Nährboden und Heimat zu sein für alle Wesen, beständig und überdauernd. So entstanden die Welten.
Das Wasser lehrte er, Heilung und Kühlung zu sein und so entstanden Meere, Flüsse und Seen und der große Regen, der alles Leben wachsen lässt.
Dem Wind befahl er, Wandel zu bringen und Fortschritt und Botschaften zu tragen über alle Grenzen von Wasser und Erde.
Dem Feuer gab er die Aufgabe, Licht zu sein und Wärme, ohne die alle Anstrengungen der anderen Elemente in der Dunkelheit
versinken würden. So wurde die Sonne geschaffen, der Mond und die Gestirne.
Als nun die Welten geschaffen waren, stieß der Phönix einen lauten Ruf aus, der über alle Welten hallte. Und seinem Ruf folgten aus allen Winkeln, entstehend aus allen Elementen, Lebewesen unterschiedlichster Art. Fische und Vögel, Insekten und
Säugetiere, alle folgten sie seinem Ruf. Aus all diesen Wesen wählte der Phönix vier aus, die ihm besonders dienen sollten. Sie waren von ihm gesegnet und sollten seinen Willen und das Gleichgewicht in dieser Welt bewahren.
Unter den Kindern der Erde wählte er den Eber aus und sagte zu ihm: „Du, Eber, bist kraftvoll und standhaft. Durch alle Unbill sei Verlass auf dich, denn du kannst Wildheit erden. Wo du kämpfst, entsteht beständig tragfähiger Boden. Deine geerdete
Beständigkeit rufe ich in meinen Dienst.“
Aus den Tiefen des Wassers rief er den Wal zu sich und sprach: „ Für das Wasser des Lebens, großer Leviathan, bist du Wal im Sturm der Gezeiten. Du tauchst in die Tiefen der Welt, wo Quellen der Heilung sprudeln. Deine überfließende Weisheit rufe
ich in meinen Dienst.“
Aus der Luft bat er den Adler zu sich, dem er erklärte: „Von allen Wesen, Adler, reicht dein Blick über jeglichen Horizont am weitesten. Mit deinen weiten Schwingen siehst du Dinge, die anderen verborgen bleiben und kannst raten und mahnen. Deine
himmlische Weitsicht rufe ich in meinen Dienst.“
Aus der Luft bat er den Adler zu sich, dem er erklärte: „Von allen Wesen, Adler, reicht dein Blick über jeglichen Horizont am weitesten. Mit deinen weiten Schwingen siehst du Dinge, die anderen verborgen bleiben und kannst raten und mahnen. Deine
himmlische Weitsicht rufe ich in meinen Dienst.“
Und aus dem Feuer erwählte der Phönix den Fuchs und sprach: „Intelligenz und List zeichnen dich aus unter allen Lebewesen. Flink zu verstehen gebe ich dir als Aufgabe und bis in die kleinsten Schlupfwinkel Verständnis zu verbreiten unter allem,
was lebt. Deinen feurigen Scharfsinn rufe ich in meinen Dienst.“
So wurde die Welt geschaffen und bevölkert und eine Ordnung gebracht in das Chaos.
Als letztes aber, geboren aus einer großen Kraftanstrengung aller Elemente, kamen die Menschen. Ihnen allein offenbarte der Phönix sein gesamtes Wesen und bestimmte sie zu Hütern und Beschützern allen Lebens. Ihnen vertraute er das heiligste
Relikt an, sein Ei. Denn wie alles Leben muss auch der Feuervogel reifen, erblühen, welken und vergehen, um dann wiedergeboren zu werden. Diesem Kreislauf ist alles unterworfen und auch der große Phönix kann dem nicht entgehen. Als dann die
chöpfung vollendet und die Ordnung geschaffen war, lebte der Phönix am Anfang der Zeit unter den Menschen. Er erleuchtete sie mit seinem Licht und Feuer und lehrte sie seinen Willen. Mit den Jahren jedoch wurde er schwächer, seine Kraft schwand
und sein Leuchten wurde dunkler. Eines Tages erlosch das Feuer des großen Phönix und das goldene Zeitalter kam zu einem jähen Ende. Zweifel und Dunkelheit übernahmen die Herrschaft über die Welt und nur die Erinnerung an den Phönix und seine Gebote
halten sie in diesen Zeiten zurück. Es ist Aufgabe der Menschen, die Erinnerung wachzuhalten und das Licht zu bewahren, bis eines Tages der Phönix wiedergeboren wird aus der Asche und das Ei in Obhut der Priester endlich neues Leben hervorbringt.
Ich hätte gerne die Zeiten des Phönix erlebt, so es diese denn jemals gab. Alle halten mich für verrückt das alles aufzuschreiben! Dies ist die erste Seite meiner Chronik und ich bin gespannt was die Welt mich noch aufzuschreiben lehrt!
ROTE REVA
Die Schöpfung der Dunklen Clans – verlorene Schriften
Als letztes aber, geboren aus der Vereinigung der Kraft aller Elemente, kamen die Menschen. Ihnen allein offenbarte der Phönix sein gesamtes Wesen und bestimmte sie zu Hütern und Beschützern allen Lebens. Denn wie alles Leben muss auch der Feuervogel reifen, erblühen, welken und vergehen, um dann wiedergeboren zu werden. Diesem Kreislauf ist alles unterworfen und auch der große Phönix kann dem nicht entgehen. Als dann die Schöpfung vollendet und die Ordnung geschaffen war, lebte der Phönix am Anfang der Zeit unter den Menschen und erleuchtete sie mit seinem Licht und lehrte sie seinen Willen.
Dann drehte sich das Rad der Zeit und der Kreislauf schritt voran. Die Tage wurden kürzer und die Nächte dunkler. Gerüchte wurden laut über wiederkehrende Tote, ein unnennbares Grauen überzog die Lande. Und der Phönix wusste, dass die Zeit gekommen war. In dieser Zeit, als sich sein Licht im schwinden befand, rief er erneut vier Vertreter der Tiere zu sich. Aus den Wäldern der Erde rief er den Bären zu sich, einsamer Wanderer unter den dunkelsten Bäumen und sprach: „Einsam wanderst du, Bär, und einsam schläfst du und zehrst von den Zeiten der Sonne. Dein langer Schlaf, dein Durchhalten halte die Dunkelheit auf Abstand.“ Aus den Tiefen des Meeres rief er den Kraken zu sich. „Ungesehen lauerst du, Krake, in der undurchdringlichen Dunkelheit. Geduldig wartest du und wachst. Deine Wachsamkeit rufe ich.“ Unter den Kindern der Luft wählte er den Raben, seit jeher verbunden mit dem Tod und sprach: „Dein Blick, Rabe, durchdringt den Schleier und sieht kommendes Unheil. Sei Bote und Mahnung, wenn das Dunkel kommt.“ Und vom Feuer schließlich rief er den Wolf, den grauen Jäger und sprach: „Alles Leben ist Nahrung für dich, Wolf, und alles reißt du um die deinen zu Schützen. Deine Wildheit rufe ich.“
Und wie den anderen Vieren das Licht und die Ordnung, gab der Phönix diesen seine dunkle Hälfte und das Chaos zur Heimat. Die Länder jenseits des Schleiers nennen sie und alle die ihnen folgen ihr Eigen, bis das Rad sich erneut dreht. Von der anderen Seite aus halten sie den Schleier fest und undurchdringlich, bis das Licht des Phönix schwindet und seine Dunkelheit ihren Tribut fordert. Dann werden sie zurückkehren auf diese Seite, alles was fest und geordnet war wird zerfasern und das Chaos wird regieren und ein neuer Morgen wird in weiter Ferne liegen...
ALS LETZTES ABER, GEBOREN AUS DER VEREINIGUNG DER KRAFT ALLER ELEMENTE, KAMEN DIE MENSCHEN. IHNEN ALLEIN OFFENBARTE DER PHÖNIX SEIN GESAMTES WESEN UND BESTIMMTE SIE ZU HÜTERN UND BESCHÜTZERN ALLEN LEBENS. DENN WIE ALLES LEBEN MUSS AUCH DER FEUERVOGEL REIFEN, ERBLÜHEN, WELKEN UND VERGEHEN, UM DANN WIEDERGEBOREN ZU WERDEN. DIESEM KREISLAUF IST ALLES UNTERWORFEN UND AUCH DER GROßE PHÖNIX KANN DEM NICHT ENTGEHEN. ALS DANN DIE SCHÖPFUNG VOLLENDET UND DIE ORDNUNG GESCHAFFEN WAR, LEBTE DER PHÖNIX AM ANFANG DER ZEIT UNTER DEN MENSCHEN UND ERLEUCHTETE SIE MIT SEINEM LICHT UND LEHRTE SIE SEINEN WILLEN.
DANN DREHTE SICH DAS RAD DER ZEIT UND DER KREISLAUF SCHRITT VORAN. DIE TAGE WURDEN KÜRZER UND DIE NÄCHTE DUNKLER. GERÜCHTE WURDEN LAUT ÜBER WIEDERKEHRENDE TOTE, EIN UNNENNBARES GRAUEN ÜBERZOG DIE LANDE. UND DER PHÖNIX WUSSTE, DASS DIE ZEIT GEKOMMEN WAR. IN DIESER ZEIT, ALS SICH SEIN LICHT IM SCHWINDEN BEFAND, RIEF ER ERNEUT VIER VERTRETER DER TIERE ZU SICH. AUS DEN WÄLDERN DER ERDE RIEF ER DEN BÄREN ZU SICH, EINSAMER WANDERER UNTER DEN DUNKELSTEN BÄUMEN UND SPRACH: „EINSAM WANDERST DU, BÄR, UND EINSAM SCHLÄFST DU UND ZEHRST VON DEN ZEITEN DER SONNE. DEIN LANGER SCHLAF, DEIN DURCHHALTEN HALTE DIE DUNKELHEIT AUF ABSTAND.“ AUS DEN TIEFEN DES MEERES RIEF ER DEN KRAKEN ZU SICH. „UNGESEHEN LAUERST DU, KRAKE, IN DER UNDURCHDRINGLICHEN DUNKELHEIT. GEDULDIG WARTEST DU UND WACHST. DEINE WACHSAMKEIT RUFE ICH.“ UNTER DEN KINDERN DER LUFT WÄHLTE ER DEN RABEN, SEIT JEHER VERBUNDEN MIT DEM TOD UND SPRACH: „DEIN BLICK, RABE, DURCHDRINGT DEN SCHLEIER UND SIEHT KOMMENDES UNHEIL. SEI BOTE UND MAHNUNG, WENN DAS DUNKEL KOMMT.“ UND VOM FEUER SCHLIEßLICH RIEF ER DEN WOLF, DEN GRAUEN JÄGER UND SPRACH: „ALLES LEBEN IST NAHRUNG FÜR DICH, WOLF, UND ALLES REIßT DU UM DIE DEINEN ZU SCHÜTZEN. DEINE WILDHEIT RUFE ICH.“
UND WIE DEN ANDEREN VIEREN DAS LICHT UND DIE ORDNUNG, GAB DER PHÖNIX DIESEN SEINE DUNKLE HÄLFTE UND DAS CHAOS ZUR HEIMAT. DIE LÄNDER JENSEITS DES SCHLEIERS NENNEN SIE UND ALLE DIE IHNEN FOLGEN IHR EIGEN, BIS DAS RAD SICH ERNEUT DREHT. VON DER ANDEREN SEITE AUS HALTEN SIE DEN SCHLEIER FEST UND UNDURCHDRINGLICH, BIS DAS LICHT DES PHÖNIX SCHWINDET UND SEINE DUNKELHEIT IHREN TRIBUT FORDERT. DANN WERDEN SIE ZURÜCKKEHREN AUF DIESE SEITE, ALLES WAS FEST UND GEORDNET WAR WIRD ZERFASERN UND DAS CHAOS WIRD REGIEREN UND EIN NEUER MORGEN WIRD IN WEITER FERNE LIEGEN...
Grossmütterchens Geschichte
Also meine Kleinen, hört gut zu, was Großmütterchen Erilda euch zu erzählen hat. Ich zähle ja schon 63 Aschetage, habe schon viele Dinge gesehen und spannende Geschichten gesammelt.
Wie der Phoenix alles schuf und wie er die Gesamtheit der Welt unter den Tieren und Menschen verteilte, habe ich euch ja bereits berichtet. Darum erfahrt ihr euch heute ein bisschen was von unserer Welt Avis und von der Geschichte unseres kleinen Dorfes, das unter dem Schutz des Ebers steht.
Doch zuerst müsst ihr etwas Wichtiges begreifen.
Am Tag bringt uns der Phoenix Licht und Wärme, in der Nacht hängt sein großes weißes Auge am Himmel und wacht über uns. Doch auch der Phoenix muss ab und zu blinzeln. Darum schließt sich sein Auge manchmal und ist dann am Himmel gar nicht mehr zu sehen. Für den Phoenix vergeht die Zeit viel langsamer als für uns. Ein Monat ist nur ein Wimpernschlag für ihn, doch dieser Wimpernschlag ist für uns besonders wichtig. Denn in der Nacht, in der der Phoenix sein Auge geschlossen hat, müsst ihr ganz besonders aufpassen. Es können hier schlimme Unglücke geschehen und Scharlatane treiben ihr Unwesen, in der Hoffnung, dass der Phoenix sie nicht sehen kann.
Am Aschetag ist es den ganzen Tag dunkel, das habt ihr ja schon gesehen. Wir verlassen das Haus nur im größten Notfall, da uns der Phoenix hier wie auch in der Blinzelnacht nicht sehen kann. Zumindest kann uns der Phoenix nicht bestrafen, falls etwas Ungutes getan werden muss. Achtet deswegen genau darauf, wann ihr welche Taten vollbringen möchtet.
Aber wie dem auch sei. Wisst ihr noch, wie Sprecher Borkenhulm verstarb? Er verschied in einer Blinzelnacht… darum haben wir auch das Brandritual am nächsten Tag mit besonders vielen Beigaben durchgeführt, damit seine Seele auch sicher in die heiligen Hallen des Phoenix finden kann. Dort wird er bestimmt frei von allen Übeln im tanzenden Licht des Phoenix schlemmen und ein Auge auf uns und seinen Sohn Taars haben.
Ihr wollt sicher wissen, wie Borkenhulm zum Sprecher unseres Eberclans wurde. Vor gut 20 Aschetagen begab es sich, dass der vorherige Sprecher vom Weg des Phoenix abkam. Er dachte, er könne mehr Siedlungen befehligen und ließ hierfür heimlich Waffen anfertigen. Kurz darauf griff er mit ein paar Gleichgesinnten einige umliegende Dörfer an. Er beging viele Gräueltaten und tötete dabei sowohl Tiere als auch Menschen. Die Dörfer waren ihm schutzlos ausgeliefert, da niemand eine Waffe besaß. Auch heute besitzt kaum jemand Klingen oder Keulen, da der Phoenix keinerlei Gewalt gutheißt, egal, unter welchen Umständen. Wer Waffen besitzt, ist verleitet, diese auch zu benutzen.
Jener abtrünnige Sprecher kam also aus unserem Dorf und keiner vermochte es, sich ihm zu widersetzen. Doch eines Tages erkannte Borkenhulm den Geist des Phoenix in den Flammen seines heimischen Feuers und ihm wurde klar, dass dieses Übel gestoppt werden musste. Er erkannte zudem die große Gefahr, die von kämpferischen Taten und dem Drang zu jenen ausgehen kann. Darum überredete er den Sprecher, ein großes Leuchtfeuer zu errichten, damit dieser seine neu gewonnene Macht über die gesamte Landschaft strahlen lassen konnte. Doch insgeheim wollte Borkenhulm mehr vom Phoenix wissen. In dem großen Feuer erhoffte er sich Antworten, die er auch bekam.
Was er darin sah, verriet er keinem, doch Fakt ist, dass er in der nächsten Blinzelnacht mit einigen Freunden die Waffen stahl und diese im Meer versenkte. Sie entführten den Sprecher und stellten ihn vor das Gericht des Phoenix. Was an jenem Tag genau passierte, das weiß niemand. Aber der Phoenix hat wohl die Schande aus der Welt genommen, um wieder Frieden einziehen zu lassen. Wer nicht reinen Herzens ist und Böses tut, kann nicht vor der Güte und Weisheit des Phoenix bestehen. Als Borkenhulm wieder in unser Dorf zurückkehrte, wählten wir ihn zu unserem neuen Sprecher. Angru wurde unser neuer Erleuchteter und beide begannen, die Schäden zu beheben, die durch den vorherigen Sprecher entstanden waren.
Wir alle arbeiten immer noch hart, um uns von den Sünden zu befreien, die damals begangen wurden. Wie ihr wisst, geben wir stets noch Korn und Holz an die betroffenen Dörfer und halten jedes Jahr ein Fest zu Ehren des Phoenix ab.
Ja, nun fragt ihr euch, was geschah, dass Borkenhulm so plötzlich in der Blinzelnacht verstarb…keiner weiß, wie sein Tod zustande kam, doch unsere Kräuterkundige konnte zumindest feststellen, dass das Ende seines Lebens nicht natürlichen Ursprungs war. Auch Angru ist seitdem verschwunden.
Seit einiger Zeit passieren komische Dinge in unserer Welt, drum seid auf der Hut. Ganz besonders den Kindern jenes Unfrieden stiftenden Sprechers ist nicht zu trauen. Sie hecken bestimmt etwas aus.
Die Güte, niemandem das Leben zu nehmen, muss Borkenhulm zum Verhängnis geworden sein. Ich habe in all der Zeit, die ich nun schon auf Avis lebe, vieles gesehen, doch das Zeitalter, das uns nun bevorsteht, wird alles verändern. Der Wandel kommt unaufhaltsam und schneller. Was der Phoenix sich dabei denkt? Ich weiß es nicht, aber in seiner unendlichen Güte und Weisheit wird er uns schützen.
Taars ist kürzlich nach Federfall gereist. Er fühlt sich hier nicht sicher und erhofft sich dort Antworten und Beistand von Seiten des Phoenix. Taars Borkenhulmson. Er ist zwar nicht so ein friedlicher Streiter wie sein Vater, doch in seiner Seele brennt trotzdem die Flamme des Phoenix und er ist bereit, alles zu tun, um Gerechtigkeit und Ordnung in diese Welt zu bringen. Ich habe große Hoffnung in ihn, doch er ist nicht hier und wir müssen in unserem Dorf einen neuen Sprecher wählen. Somit müssen wir einen anderen finden oder einen Boten nach Federfall schicken, um Taars als Sprecher wieder zu uns zurückzuholen.
Doch jetzt es ist schon spät, zu spät, um uns mit solchen Belangen zu beschäftigen. Und jetzt Kinder, ab ins Bett und schlaft recht gut. Möge das Licht des Phönix über euch leuchten und der Dunkelheit den Schrecken nehmen.
Legenden vom Chaos I
Etwas ungewöhnliches geht vor sich. Chaos bricht überall aus! Ich floh bereits vom Kopf des Phönix wo die Steine von den Bergen brachen und manche sogar Rauch und Feuer spuckte, obwohl der Kopf des Phönix doch für seine kalte, aber freundliche Natur bekannt ist! Manche sagen an den Federn des Phönix brechen Wellen über das Land und andere finden tiefe Erdspalten in dichten Wäldern. Die Welt ist im Wandel! Als Erleuchtete des Adlerclans will ich meine Weitsicht nutzen und alle Berichte zusammentragen um herauszufinden ob dies alles noch der Wille des Phönix sein kann oder ob die bösen Chaosmächte von der anderen Seite in unsere Welt drängen. Der Erleuchtete Langfeder soll mutige Menschen zusammentragen und dem auf den Grund gehen.
Spearitus Birdana
Legenden vom Chaos II
Lieber Trevor, Ich muss dir eine witzige Geschichte erzählen! In der Taverne traf ich einen Bauernjungen der ganz erschrocken war und klagend den Phönix anrief, während er noch einen Humpen trank. Lautstark verkündete er, dass das Chaos ihn heimsuche - seine Kuh habe ein Ferkel zur Welt gebracht und in seinem schönen Weizenfeld seien riesige, runde Kreise geschlagen, wie kein Mensch es könnte. Ich glaube der Alkohol ging wohl mit ihm durch, doch von so etwas wie den Weizenkreisen hörte ich bereits vor einer Woche. Sicher - als einsamer Holzfäller begegnen mir weder viele Menschen noch Geschichten, dich du, so als belesener Handelsmann, weißt dich sicherlich mehr? Kann denn stimmen was der Junge sagt? Wenn ja - möge das Phönixfeuer uns im dunklen Chaos leuchten!
Rote Reva
Legenden vom Chaos III
Ich schreibe dies zwei Monde nachdem ich meine Suche nach den verlorenen Geschichten begann. Weit bin ich durch die Welt gewandert und ich bin überzeugt, nicht immer diesseits des Schleiers. Dunkelheit überschattet meine Tage und unruhige Träume stören die Ruhe meiner Nächte. Ich sehe den Wandel kommen, das Schwinden des Lichts, doch bin ich machtlos im Anblick dessen, was kommt. Ich sehe Kinder, die ohne Arme geboren werden, Kälber mit zwei Köpfen. Ich sehe Stürme und Dürren und Unordnung in allen Landen. Oh Phönix, wo ist dein Licht geblieben? Wende dich nicht ab von mir oder mein Glaube, mein Geist selbst wird zerbrechen vor dem Chaos
Unbekannter Reisender
Bericht der Schreiberin Mara Hammerschmid über die Ereignisse am Ausgezogenen Wanderer
Mein Name ist Mara Hammerschmied, und ich verfasse diesen Bericht im Alter von siebzehn Jahren, auf dass das Wissen über die Schlacht um den „Ausgezogenen Wanderer“ nicht in Vergessenheit gerate.
Ich bin die jüngste Tochter eines Schmiedes. An diesem Gewerbe hatte ich allerdings nie großes Interesse. Stattdessen hatte ich mein Leben der Poesie verschrieben und war ausgezogen, um Inspiration für Gedichte zu finden. Durch Zufall bin ich beim Clan des Wals gelandet, welcher dem Phönix Orden dient. Ich hatte mich zuvor drei wandernden Handwerkern (mit recht kriegerischen Zügen) angeschlossen – einem Steinmetz, einer Holzfällerin und einer Roggenbäuerin, welche mir sehr behilflich waren als ich von Banditen ausgeraubt und selbst meiner Kleider beraubt worden war.
Wir lagerten mit unseren Clans um die Taverne „Zum ausgezogenen Wanderer“. Wir wählten Clansprecher die uns bei dieser großen Zusammenkunft vertreten sollten und die Erleuchteten besprachen sich in einem Ritual mit dem Phönix Priester, der uns vor großen Gefahren warnte. Es zeichnete sich nämlich ab, dass das Chaos jenseits des Schleiers in diese Welt sickerte und sie bedrohte. Unsere Aufgabe würde es sein, das Unheil aufzuhalten. Zunächst gab es allerdings viel anderes zu tun, zumal es noch friedlich war. Ich fing an, eine Ode über den Wal zu verfassen und half dabei, Wissen über verschiedene Heilkräuter zu sammeln und aufzuzeichnen. Der Steinmetz baute sich einen kleinen Stand auf, wo er mit allerlei Objekten handelte. Der Fuchsclan machte sich durch diverse Diebstähle recht unbeliebt (wie sich später herausstellte, waren auch einige Clanmitglieder mit Gold (!) bestochen worden, um durch Diebstähle und/oder Verleumdung Zwietracht zwischen den Clans zu säen). Ich selbst sah mich mit einer Anklage wegen Falschmünzerei konfrontiert. Wir begrüßten aber die Scharfrichter mit einem fröhlichen „Harmonie sei mit euch“ und beteuerten unsere völlige Unschuld, bis sie wieder abzogen. Nach einer Weile friedlicher Aktivität beschlossen Ida, Irmi und ich, uns im Wald nach Heilkräutern umzusehen. Wir entdeckten zunächst eine rote Pflanze und dann einige Runensteine, die angeblich vor Gefahren warnten. Diese ignorierten wir und landeten prompt in einer Falle, die uns in einem Netz von einem Baum baumeln ließ. Wir schrien lauthals um Hilfe und lockten so diverse andere Clanmitglieder an, von denen aber niemand wusste, wie die Falle zu entschärfen war. So langweilten wir uns einige Zeit, versuchten vergeblich Hilfe zu bekommen und spielten schließlich Klatschspiele. Schließlich war uns ein Mädchen aus dem Fuchsclan behilflich, allerdings unterließ sie es, uns vorsichtig herunterzulassen, bevor sie die Falle entschärfte. Daher fielen wir aus großer Höhe auf den Waldboden und prellten uns Rippen und Knöchel. Deutlich ernüchtert schleppten wir uns zurück zur Taverne, wo wir bei einem Händler aus dem Fuchsclan die rote Blume gegen eine Flora Ella tauschten, aus der wir einen Heiltrank zubereiten konnten. Wir begaben uns sofort zu einem kenntnisreichen Menschen, der uns die Grundzüge des Fallenstellens und -entschärfens zeigte, um in Zukunft auf derartige Situationen vorbereitet zu sein. Außerdem gab es etwas Konfusion wegen gefährlicher, Unglück bringender Runensteine, die im Umlauf waren. Wir strolchten noch eine Weile durch den Wald und entdeckten nichts von Relevanz. Allerdings begegneten uns einige Mitglieder unseres Clans, die weit vorgedrungen waren und einen Schädel entdeckt, der sich als düsteres Omen herausstellte, sowie Geschichten über verschollene Wanderer sowie Gerüchte über Wölfe und andere Bestien gehört hatten. Ferner war ihnen von einem ominösen Wanderer davon abgeraten worden, tiefer in den Wald vorzudringen.
Wir machten uns schließlich auf den Rückweg und nahmen in der Taverne eine Mahlzeit ein. Unser Essen wurde allerdings durch einen unheimlichen Söldner gestört, der nach seiner Frau fragte und sich dann auf den verfluchten Sitzplatz stellte, wo er mit „seiner Frau“ fuchtelte, die sich als Schrumpfkopf herausstellte, schließlich seine Brust entblößte, auf der in Runen die Worte „FEUERTOD-LEBEN“ geschrieben waren und gotteslästerliche Reden führte, bis er von einigen couragierten Gästen aus der Taverne geworfen wurde. Er versuchte noch einmal, zurückzukehren um den Schrumpfkopf zurückzuholen und bekam ihn auch, wurde aber diesmal mit mehr Nachdruck verscheucht und tauchte nicht wieder auf. Wir befragten erneut den Phönix bezüglich dieser beunruhigenden Nachrichten. Er ermahnte uns, das Böse zu bekämpfen, mit Worten oder aber mit dem Schwert.
Wir stellten in recht chaotischer Manier einen Trupp zusammen, der Jagd auf die Banditen und Wölfe machen sollte, welche im Wald gesehen worden waren. Er bestand aus Vertretern aller Clans bis auf den Fuchsclan, der wie üblich seine eigene Linie fuhr. Diesem schloss ich mich aus reiner Neugier an, ohne jegliche Absicht, mitzukämpfen. Die Unternehmung stand offensichtlich unter keinem guten Stern. Zunächst verzögerte sich die Abreise einer Teilgruppe, da die Sprecherin des Eberclans zunächst meditieren musste. Dann hob Irmi recht am Anfang einen Runenstein auf, der dafür sorgte, dass ihr linkes Bein gelähmt wurde. Schließlich gelangten wir auf den Weg, auf dem wir das Nadelöhr des „Tal des Todes“ passieren wollten. Dort fanden sich auch die anderen Teilgruppen wieder an, die in der Zwischenzeit Jagd auf Banditen (oder Anhänger der Selbstmordsekte?) gemacht hatten, die einzeln und schlecht bewaffnet im Wald herumstromerten. Sie versuchten sich in der Regel vor uns zu verbergen, aber wir konnten drei von ihnen besiegen. Einer war sofort tot, auf die anderen beiden verschwendeten wir je einen Heiltrank, da wir sie heilen, gefangen nehmen und befragen wollten, was aber misslang, da sich beide in ihre Waffen stürzten bevor wir sie fesseln konnten und uns trotz all unserer Bemühungen unter der Hand wegstarben. Dadurch standen wir nicht sonderlich gut da, was uns aber noch nicht sonderlich beunruhigte, da wir schließlich vorhatten, unsere Waffen nur zur Selbstverteidigung zu verwenden. Allerdings wurde der Ruf laut, dass einer der Banditen auf dem Weg ins Dorf war, weshalb einige unserer Kämpfer augenblicklich zurück wetzten, um ihn abzufangen. Das Scharmützel mit den Banditen führte dazu, dass wir einige Waffen erbeuten konnten, am Ende bekam ich einen Streitkolben, mit dem ich mich augenblicklich etwas sicherer fühlte, auch wenn ich ihn absolut nicht effektiv führen konnte. Zunehmend sahen wir weniger Banditen. Dafür nahmen die Warnungen vor „Gefahr“ und „Kampf“ zu. Wir beschlossen, dennoch weiter vorzustoßen – mit desaströsen Folgen. Denn plötzlich hörten wir eine Falle auslösen und der vorderste unserer Kämpfer hing in einem Netz fest. Das schlimmste stand uns jedoch noch bevor, denn während zwei unserer Fallensteller sich bemühten, ihn aus der Falle zu befreien, tauchte eine Horde beängstigender Gestalten, teils mit Tentakeln, auf und bedrohten uns mit Waffen. Ihr hünenhafter Anführer gab sich als Mitglied des Kraken Clans zu erkennen und forderte nachdrücklich, dass wir sein Territorium verließen. Wir versuchten zu deeskalieren und versicherten, dass wir unseren Mitstreiter aus dem Netz befreien wollten und augenblicklich verschwinden würden. Sie weigerten sich. Wir wiederholten, dass wir keinen Konflikt wünschten und nur unseren Freund wollten – da stürzten sie sich mit lautem Gebrüll auf uns. Wir versuchten verzweifelt, uns zu verteidigen, aber gegen ihren Schildwall und ihre Stabwaffen hatten wir kaum eine Chance. Nach kürzester Zeit gab es auf unserer Seite die ersten Verwundeten. Da griff Alf Langfeder, der Erleuchtete des Adlerclans, ein und opferte sich für die restliche Gruppe, indem er sich als Geisel anbot. Die Kraken gingen prompt darauf ein und zogen ab, Langfeder im Schlepptau. Das gab uns Zeit, uns um unsere Verwundeten zu kümmern, auch wenn wir sehr beunruhigt über das Schicksal waren, das unseren Freund Langfeder erwartete. Vor allem war einer unserer Kämpfer, ein gewisser R. (Reinhard? Es fing mit R an…) betroffen, der sich vor Schmerzen brüllend am Boden wand, weil sein rechtes Bein von einem der Kraken zerschmettert worden war. Wir halfen ihm, das Bein zu schienen. Außerdem versorgten wir diverse Schnittwunden bei anderen Kämpfern. Praktischerweise hatte Irmi Nähzeug dabei, sodass wir sie gleich nähen konnten. Die Gesamtsituation war allerdings recht unbefriedigend, zumal mit R. das Nächste was wir an einem Anführer hatten außer Gefecht gesetzt war. Wir stießen sehr zögerlich noch einige Meter vor, befürchteten allerdings weitere Fallen. Unschlüssig, was wir tun sollten, wurde unsere Gruppe immer mehr in die Länge gezogen. Schließlich halfen die Erleuchteten der anderen drei Clans, die auf der Suche nach Langfeder zu unserer Gruppe gestoßen waren, indem sie den Phönix beschworen und für einen sicheren Weg sorgten. Dadurch wurden wir ermuntert, uns noch ein wenig weiter vorzuwagen. Schließlich hörten wir Schreie und sahen Langfeder durch den Wald fliehen, dicht verfolgt von einigen Kraken, mit denen wir in der Folge aneinandergerieten. Dies führte zu einem ziemlichen Desaster, da wir erneut in die Flucht geschlagen wurden, die Erleuchteten, die Heiler und unsere Verletzten ungeschützt ließen und zu allem Überfluss beinahe über die Männer, die bereits am Boden waren, trampelten. Allerdings gelang es uns auch, einige der Kraken zu verwunden und sogar zwei zu töten.
Langfeder blieb zunächst verschwunden, wir hatten aber auch anderes zu tun. R. war erneut verwundet worden und trotz all unserer Bemühungen erlag er seinen Verletzungen. Unsere Moral war im Keller. Wir schickten einige Heiler los, um weitere Heiltränke herzustellen, machten uns daran, die Verletzten und den Toten zurück zur Taverne zu schaffen und harrten dem nächsten Angriff der Kraken. Diesmal hatten wir vor, eine kleine Gruppe an der Flanke voraus zu schicken, die dem Feind in den Rücken fallen sollte. Das wurde erschwert dadurch, dass offensichtlich eine weitere Falle auf den Weg zeigte und wir uns eine ganze Weile gegenüber standen und gegenseitig zu provozieren versuchten, bis der erste die Falle auslöste. Das erschwerte die Kommunikation, und dass wir unsere Feinde durch Blickkontakt und Gestikulieren auf den zweiten Trupp aufmerksam machten, war recht suboptimal. Diesmal waren wir deutlich in der Überzahl, am Ende waren nur noch vier der Kraken auf den Beinen und außerdem wirkten die Hälfte von diesen ziemlich angeschlagen. Sie befanden sich schon auf dem Rückzug und wir verfolgten sie etwas zögerlich. Es gelang ihnen aber irgendwie, uns derart in Angst und Schrecken zu versetzen, dass wir erneut kopflos flohen. In der Zwischenzeit hatte Langfeder berichtet, man habe ihn gefoltert und versucht, ihn zu korrumpieren. Ferner wusste er zu erzählen, dass die Kraken einen Angriff auf die Taverne planten, weshalb wir uns hastig auf den Rückweg machten.
Wir brauchten lange für den Weg zurück zum Dorf, zumal wir R. mitschleppen („Nächstes Mal plädiere ich für ne Feldbestattung!“) und diverse andere stützen mussten. Angekommen stellten wir fest, dass Langfeder verschwunden war. Wie sich herausstellte, war er auf die Seite der Kraken gewechselt und die ganze Zeit mit ihnen im Bunde gewesen. Wir befestigten das Gelände um die Taverne mit Barrikaden und Fallen, wobei sich Steini hervortat, der nicht nur den Bau der Anlagen überwachte, sondern auch die heilige Axt des Wal Clans sowie dessen Schild an sich nahm und in der Schlacht führen wollte. Außerdem nahmen wir Abschied von R., für den wir eine kleine Trauerfeier organisierten. Wie sich herausstellte, war der Aufwand aber gar nicht nötig. Wenig später tauchte er wieder auf, nachdem er mit dem Phönix übereingekommen war, dass er noch eine Aufgabe auf dieser Seite des Schleiers hatte. Für seine Wiederbelebung musste er allerdings ein Auge opfern, mit dem er den Phönix erblickt hatte. Er nahm einen Kämpfer aus jedem Clan mit auf eine Expedition in den Wald, um Langfeder ausfindig zu machen. Tatsächlich entdeckte dieser Suchtrupp nichts außer dem verlassenen Lager der Kraken und kehrte erst nach der Schlacht zurück… Langfeder, so erwies sich am Ende, versteckte sich in einem Gebüsch direkt hinter der Taverne.
Eine Seherin leitete währenddessen einen Meditationskreis und sah tatsächlich in die Zukunft, allerdings kam dabei wenig Hilfreicheres heraus, als dass sich die Kraken näherten, was wir ohnehin vermuteten. Wir stellten Wachen auf und schmiedeten Pläne, die gespannte Seile und kleine, im Gebüsch versteckte Trupps, welche auf Zuruf eines Codesatzes („Welch ein Zufall, dass ihr da seid!“) herausstürzen sollten, beinhalteten. Wir waren kaum mit den Vorbereitungen fertig, als wir hörten, wie sich die Kraken näherten, die sehr effektiv den Eindruck erweckten, sehr viel zahlreicher zu sein als sie tatsächlich waren… und uns wieder einmal in Chaos und Panik stürzten. Dazu kam, dass wir von Wurfspeeren von den Barrikaden weg getrieben wurden, die daraufhin gar kein so effektives Hindernis mehr waren. Außerdem näherte sich der Hauptteil der Kraken nicht aus der Richtung die wir erwarteten, sodass der Plan mit dem Seil nicht wirklich funktionieren würde. Über den Verlauf der Schlacht kann ich wenig berichten. Ich wurde in Ermangelung von Richtungen in die man flüchten konnte, tatsächlich in den Kampf verwickelt. Allerdings wurde ich recht bald am Knöchel verwundet und darauf reduziert, wenig hilfreich über das Schlachtfeld zu humpeln. Immerhin konnte ich jemandem, der eine Waffe brauchte mit meinem Streitkolben aushelfen und einen Dolch ins Getümmel werfen. Der Kampf währte nicht lange. Alle (einschließlich des Tavernen Wirts, der sich mit zwei Bierkrügen bewaffnet einschaltete) halfen dabei, die Kraken zurückzuschlagen. Steini nahm es mit Axt und Schild alleine mit ihrem Anführer auf, was der Schlacht die entscheidende Wendung gab. Am Ende fielen beide und der Kampf war entschieden. Es gab auf unserer Seite nur wenige Überlebende, aber sobald der letzte der Kraken gefallen war, erfüllte uns ein warmes Leuchten und unsere Toten und Verletzten wurden durch die Macht des Phönix geheilt (natürlich nur die auf unserer Seite; auch wenn wir einen Moment fürchteten auch die Kraken könnten wiederbelebt worden sein). Darauf blieb uns nur noch, unseren Suchtrupp zu finden (was sich als schwierig herausstellte), Langfeder durch die Läuterung in den Flammen wieder auf unsere Seite zu bringen – und im „Ausgezogenen Wanderer“ auf unseren Sieg anzustoßen.
Reck Steinbachs Kampf
Dort sind sie! Diese Barbaren! Sie verstoßen gegen sämtliche Grundsätze, die uns der Phönix gegeben hat. Sie haben sich auf die dunkle Seite begeben. Sie haben sich mit denen verbündet, die sich seit jeher gegen den Phönix gestellt haben. Jene, die unsere Welt vernichten wollen. Schwer bewaffnet, in ihren metallenen Rüstungen, mit Schilden, Speeren und vielem mehr stehen sie uns gegenüber. Ich rieche Angst. Die pure Angst eines Jeden, der hier versammelt ist. Wenn mir früher jemand gesagt hätte, man kann Angst riechen… ich hätte ihm nicht geglaubt. Jetzt sieht die Sache anders aus. Ich glaube es, nein ich reiche es. Von unserer Gruppe hier haben nur die wenigsten schon einmal eine Waffe in der Hand gehabt. Aber dieser Kraken Clan lässt uns keine Wahl. Wir alle, die sich hier versammelt haben, um dem ersten Treffen der vier großen Clans seit Ewigkeiten beizuwohnen, stehen nun hier und müssen diesem Ansturm standhalten. Diese Situation ist so absurd, man könnte es für einen schlechten Witz halten. Wir sind Bauern, Handwerker, einfache Leute. Und ausgerechnet wir müssen die Abgesandten der Clans schützen. Ich blicke nach links und nach rechts. Die Angst steht jedem ins Gesicht geschrieben. Wir haben doch keine Chance. Unsere Gegner haben ihren Angriff sehr schlau geplant. Sie haben einen unserer Erleuchteten entführt. Und dann haben sie uns, durch eine falsche Eingebung der bösen Mächte, glauben lassen, dass wir den entführten Erleuchteten des Adler Clans nur wieder bekommen, wenn wir ihn uns holen. Also was machen wir in unserer ach so großen Weitsicht? Wir schicken unsere kampfstärksten Krieger und Jäger fort, um ihn von diesen Halunken zu befreien. Was für ein riesiger Fehler! Dieser Kraken Clan hat uns nach Strich und Faden betrogen. Vermutlich haben sie das alles ins Detail geplant. Kurz nachdem unsere besten Kämpfer das Gebiet verlassen haben, um nach dem Erleuchteten zu suchen haben sie sich formatiert. Wir haben natürlich sofort, als wir von dem bevorstehenden Angriff erfahren haben, eine provisorische Barrikade errichtet. Aus den Bänken und Tischen des Wirtshauses und dem, was wir sonst noch gefunden haben. Aber das wird sie nicht lange aufhalten. Das Wirtshaus ist so gut wie verloren. Außerdem kennen die sich hier viel besser aus! Diese Leute, die uns gegenüber stehen sind hier groß geworden. Sie kennen jeden Winkel dieses Waldes. Die meisten von uns hingegen haben kurz vor diesem Treffen überhaupt das erste Mal in ihrem Leben ihr Dorf verlassen.
"Ihr werdet alle sterben, der Phönix wird endgültig sterben! Die Dunkelheit wird siegen!"
"Ich kann eure Angst riechen, rennt doch davon! Wir werden auch brav hinterherrennen und euch alle massakrieren!"
"He, irgendwer von euch hat sich gerade in die Hose gemacht! Ich rieche es doch!"
Das Geplänkel ist von jeder Seite zu hören. Wir sind umzingelt. Hinter dem Wirtshaus ist ein Fluss. Und über diesen führt nur die eine Brücke. Der Fluss bietet uns jetzt die einzige Chance. Wenn wir verlieren, oder überrannt werden sollten, dann können wir uns nur noch hinter die Brücke zurückziehen und uns verbarrikadieren. Hoffentlich sind unsere Krieger bald wieder zurück. Dieser unkoordinierte Haufen hält einem Angriff wahrscheinlich nicht mal Sekunden stand. Und doch müssen wir es versuchen. Es geht um zu viel. Es sind drei Erleuchtete bei uns. Die müssen wir schützen! Und nicht nur diese, der Phönix Priester höchst persönlich ist zu diesem Treffen erschienen! Gar nicht auszumalen, was geschieht, wenn ihm etwas zustößt. Der Griff um meine Waffe festigt sich. Ich höre Rings um mich herum das Getuschel immer lauter werden. Die Kraken kommen immer näher, man sieht ihre furchterregenden Tätowierungen, ihre Kriegsbemalung. Krieg… so etwas gab es seit Urgedenken nicht mehr. Wir kennen dieses Wort nur von den ersten Schriften aus der Tempelstadt des Phönix Ordens. In diesen Schriften wird von einer dunklen Zeit vor Jahrtausenden berichtet. Eine Zeit in der das Chaos herrschte. Eine Zeit bevor der Phönix aus der Asche emporgestiegen ist und Ordnung in die Welt gebracht hat. Was die Clansprecher und Erleuchteten gesprochen haben, muss wichtig gewesen sein, ansonsten würden diese Barbaren uns nicht überfallen.
"Ich hab lange genug gewartet!" schrie ein riesiger Hüne zu seinen Männern. "Ich will sie abschlachten! Ich will ihr Fleisch und ihre Weiber! Los lasst uns sie töten gehen!"
Mit einem Mal kommt eine Wand aus Männern auf uns zu. Beim Anblick dieser Masse an Gegnern bricht auf unserer Seite Chaos aus. Einer nach dem anderen flieht. Unsere Reihen werden immer lichter. Und das obwohl der Feind noch nicht einmal die Barrikade passiert hat. "Bitte oh Phönix! Lass ein Wunder geschehen! Lass uns diesen Kampf gewinnen." schicke ich ein Stoßgebet gen Himmel.
Ich blicke mich um. Immer mehr Leute verlassen die Schlachtreihe.
"Feiglinge! Ihr verdammten Feiglinge!", schreie ich, während ich mit dem kläglichen Rest, der noch standhaft geblieben ist, langsam von der Barrikade zurückweiche.
"Zurück zur Brücke!" schreit einer und alle rennen zur Brücke. Sie haben noch nicht Mal die… ein Knacken ist zu hören. Noch ein Knacken, dann ein Bersten. Sie sind durch! Verdammt was mach ich? Komischerweise ist meine Angst nun wie verflogen und ich kann wieder klar denken. Hat der Phönix mich erhört? Vor dem großen Hünen haben die meisten Angst. Er scheint der Anführer zu sein. Wenn er ausgeschalten wird, dann haben wir vielleicht eine Chance. Mir wurde die Clan-Axt des Wales anvertraut. Irmi hat sie mir gegeben, als sie mit den anderen Kämpfern aufgebrochen ist, um den Erleuchteten zu retten. Ob sie auch von den Kraken überfallen wurden? Nein, daran darf ich jetzt nicht denken! Irgendwas muss ich doch machen können! So kann ich meinen Clanmitgliedern nicht unter die Augen treten! Ich atme einmal durch und dreh mich um. Auf dem Boden liegen schon etliche Tote. Ich höre die Schreie der Verletzten, sehe, wie sie verzweifelt versuchen in Sicherheit zu kommen, nur um im nächsten Moment einem anderen Kraken zum Opfer zu fallen. Schaff ich das? Ich muss! Der Hüne muss fallen, ansonsten werden wir nicht den Mut aufbringen. Noch einmal atme ich ein und plötzlich durchströmt mich ein warmes Gefühl. Ich kann es nicht beschreiben, aber ich fühle mich auf einmal leicht. Wie als könnte mir nichts passieren. Ich hebe meinen Schild und renne mit lautem Gebrüll auf den Hünen zu. "Für den Phönix!" schreie ich dem Lärm entgegen. Kurz vor dem Zusammenprall bleibe ich stehen und verstecke meinen Kopf und einen Großteil meines Körpers hinter dem Großschild. Der Hüne kann nicht mehr bremsen und donnert gegen meinen Schild. Ich halte stand und nutze den kurzen Moment der Verwirrung, um ihn mit der Axt das linke Bein abzuhacken. Doch ich schaffe es nicht ganz. Ich hole zum nächsten Schlag aus, und treffe diesmal seinen Brustharnisch. Sofort geh ich auf Distanz, gerade noch rechtzeitig, denn von meiner rechten Seite kommt ein Angreifer. Sofort lasse ich meinen Schild auf die rechte Seite schnellen und schaffe es gerade noch das Schwert des Gegners abzufangen. Ich wende mich dem neuen Gegner zu, hebe meine Axt und lasse sie gleich darauf mit meiner ganzen Kraft, die ich mir über die Jahre durch ständiges Steine klopfen antrainiert habe, hinuntersausen. Ich höre das Knacken von Knochen. Ein scharfer Stich durchzuckt mein Bein, aber dafür hab ich keine Zeit. Sofort wende ich mich wieder dem Hünen zu. Dieser hat sich schon von dem Schlag auf den Brustkorb erholt und hebt seine Waffe. Eine lange bedrohlich aussehende Mischung aus Axt und Speer. Doch ich darf mich nicht von ihm oder seinen Waffen einschüchtern lassen. Ich fixiere mich voll und ganz auf den Hühnen. In meiner Welt gibt es jetzt nur noch mich und ihn. Ich ahme seine Bewegungen nach, verfolge seinen Speer mit meinem Schild, sodass er mich nicht treffen kann. Gleichzeitig hol ich mit meiner Axt zum Schlag aus. Sein Speer saust hinunter. Das ist meine einzige Chance. Ich lasse meine Axt herabfallen und spüre einen Widerstand in meiner rechten Hand. Ich habe etwas getroffen … was ist jetzt los? Warum bin ich am Boden? Mir wird warm. Der Speer. Er hat mich auch getroffen. Ich drehe mich zur Seite. Neben mir liegt der Hühne . Ich hab ihn auch getroffen stelle ich erleichtert fest. Ich merke, wie ein großer Druck von mir abfällt und alles um mich herum wird schwarz. Mir wird…
"…und so sprach der Phönix, ihr sollt leben. Denn der Phönix ist groß und machtvoll ist sein Tun. Stehet auf und preiset sein Tun."
Ein Zischen, wie wenn Feuer schlagartig emporsteigt, ist zu hören. Ich öffne meine Augen und sehe den Himmel. Ich schmecke Blut und rieche verbranntes Holz. Ich setze mich auf und schaue mich um. Der Phönix Priester steht an der Brücke und hat die Hände gehoben. Wie kann das sein? Warum bin ich am Leben? Der Speer hat mich getroffen. Wie ist es also dazu gekommen?
"Hier her! Hier her! Dort ist der Erleuchtete des Adler Clans!"
Schreit von irgendwoher jemand.
"Er hat eine Rüstung des Kraken Clans an!"
"Ein Erleuchteter wurde…"
"Das kann nicht sein…"
"Er war doch ein Erleuchteter…"
"Das muss finstere Zauberei gewesen sein…"
Überall um mich herum, sprechen sie durcheinander. Vergessen ist das Wunder nun, das gerade vor ihren Augen geschehen ist. Ein Erleuchteter wurde von den Barbaren korrumpiert. So etwas gab es wohl noch nie… Doch was nur mir aufzufallen scheint, ist, dass unsere Kämpfer noch immer nicht zurückgekehrt sind.
Hassan Mustafa Mohammed El-Tawil
Vorwort
Nach der schwierigen Reise, die ich mit meinen Freunden hinter mir habe, und all dem, was wir sonst so erlebt haben, bin ich ganz froh, dass ich am Leben bin. Nun wurde ich jedoch gebeten, all die Historie der Insel Ramil aufzuschreiben, damit diese in Vergessenheit geratene Geschichte endlich wieder Teil der Chroniken des Phoenix sein kann. Also sitze ich jetzt hier und versuche die Geschichte meines Volkes anschaulich und verständlich zu erklären. Bitte vergeben Sie mir meine sprachlichen Fehler und schwierigen Sätze, bin ich ja keine Rote Reva. Nun will ich, in aller Bescheidenheit, als einfacher Händler, die Geschichte aufschreiben.
Mit freundlichen Grüßen
Hassan Mustafa Mohammed El-Tawil.
RAMIL
Prachtvoll, ein grüner Fleck im blauen Meer, Reich an Kultur und Wissen, eine wahre Schatzinsel. Selbst die Bewohner des Kontinents sollen neidisch sein auf die Insel Ramil.
So wurde die Insel Ramil einst beschrieben. Jeder kannte sie und jeder hat davon geträumt, einmal im Leben die Insel zu besuchen und sich von dem, was sie zu bieten hat, berauschen zu lassen. Jedoch hat sie eine lange und schwierige Geschichte. Im Nord-Osten des linken Flügels gelegen, war diese Insel, in der Form einer gefallenen Feder, einst wahrlich ein Paradies auf Erden. Wissenschaft und Kultur florierten und durch die reichlich vorhandenen Bodenschätze ging es jeder Person auf Ramil so gut, wie es ihr nur gehen könnte. Liebe war das einzige Gefühl, welches die Leute bewegt hat.
Doch all dies war auch der Grund für Ihren Untergang.
Kapitel I: Anfänge der Insel Ramil und der Beginn der Geschichte
Wann genau die ersten Siedler die Insel bereisten, ist nicht ganz genau festgestellt. Da es keine Schriftliche Überlieferung gib, ist dies auch weiterhin ein Punkt der Spekulation. Nun ist es die vorherrschende Meinung, dass die ersten Entdecker, sehr wahrscheinlich die Einwohner des linken Flügels waren. Sie überfuhren das Meer nach der Suche nach neuen Fischfanggründen.
Die Ureinwohner der Insel waren den Seeleuten in allem voraus, was eine Gesellschaft ausmacht. Wirtschaft, Kultur, Wissen, Medizin.
Dementsprechend liefen die ersten Treffen sehr friedlich ab und es entwickelte sich schnell eine Freundschaft zwischen den Völkern und so begann auch die Ansiedlung von Menschen von außerhalb der Insel.
Die darauffolgenden Jahrhunderte waren geprägt von Frieden, Wachstum und kulturellem Austausch. Auch die Religion des Phoenix wurde von den Einheimischen dankend übernommen.
Kapitel II: Der Untergang
König Gundar der 69. hatte sich unsterblich in eine Hexe aus dem linken Flügel verliebt. Doch leider war diese bereits vergeben. Aber ich will nun von Anfang erzählen.
Es wird gesagt, dass dies dazu geführt hat, dass der junge Prinz keine große Liebe in der Jugend hatte und daher das Gefühl eines gebrochenen Herzens nicht kannte. Als die Zeit gekommen war und nun aus Prinz Gundar König Gundar wurde, war die Insel Ramil geprägt von einem Wohlstand, der geschichtlich einmalig war. Trotz des jungen Alters des Regenten verlief die Regentschaft ohne größere Vorkommnisse bis zu jenem tragischen Tag, der das Ende der Insel eingeleitet hat.
Als Prinz Gundar die Hafenstadt einmal besuchte, sah er am Steg eine Frau mit brennend Roten Haaren. Sein Herz schlug, wie es dies noch nie zuvorgetan hatte und ihm wurde ganz komisch.
Es ergab sich, dass König Gundar und seine Angebetet sich näher kamen. Durch Zufall trafen sie sich in der Taverne „Zum stinkenden Fisch“ und es entstand alsbald eine Romanze. Bis jedoch der Tag kam, als die Frage mit der Hochzeit aufkam. Die Angebetet musste ihm jedoch eröffnen, dass sie bereits in der Heimat jemandem, aus dem linken Flügel, versprochen sei und leider den König nicht heiraten könne.
In seinem Frust verhängte er erstmals ein Einreiseverbot für alle Menschen des linken Flügels. Er verbat den Handel mit der Außenwelt und isolierte die Insel vom Rest der Welt. Doch damit war es für ihn nicht vorbei. Er begann das Militär auszubauen, die Kriegsmaschinerie anzuschmeißen und bereitete sich darauf vor, den Flügel anzugreifen und sich seine Geliebte mit allen Mittel zurück in seinen Arm zu holen. Denn selbst, wenn er alles verlieren sollte, hatte er doch für sich alles verloren, was ihm jemals wichtig war.
Als der König seine Flotte schicken losschicken wollte, geschah es, dass der Phoenix einen Jahrhundertsturm schickte, der die gesamte Flotte in ihr nasses Grab beförderte. Doch dies reichte nicht. Der Insel selbst schickte er Winde. Heiße Winde. So heiß, dass der Papyrus, was zum Trocknen draußen hing, das Brennen anfing. Und diese Winde hörten nie auf. Sie brannten alles nieder. Sämtliche Natur der Insel verschwand und damit auch die großartige Artenvielfalt. Alles wich Dünen, Sand, noch mehr Sand und Dünen. Ihr glaubt nicht, wie viel Sand auf der Insel ist, meine lieben Freunde. So viel Sand.
Jedenfalls überlebte nur eine Stadt. Die Hafenstadt, und damit das Tor zur Welt, Athopona. Die Hauptstadt Lophares wurde zusammen mit all den Einwohnern dem Erdboden gleich gemacht und heute weiß niemand mehr, wo sich die Stadt jemals befunden hat. Der unglückliche König verschwand zusammen mit all seinen Hoffnungen, seinem Schmerz und seinem Hass in der Wüste.
Wenn man heute nachts einsam am Feuer sitzt und sich keine Menschenseele in dieser ach so trostlosen Nähe befindet, kann man ihn nach seiner Geliebten rufen hören. Es sind Rufe voller Liebe, aber auch voller Sehnsucht, eine Sehnsucht, die nur entsteht, wenn eine wahre Liebe nicht glücklich enden kann.
Kapitel III: Wie es zum heute kam oder was macht man mit all dem Sand
Nun ist es so, dass all die Menschen, die überlebt hatten, kaum die Möglichkeit hatten, die Insel Ramil zu verlassen. So entstanden die ersten Nomadenvölker, die die Insel bereisten, um zu sehen, ob es noch Orte gibt, wo man leben kann.
Und mit der Zeit entstand an der Oase Wasia eine neue Siedlung. Doch diese Siedlung ist nicht mehr mit dem Prunk zu vergleichen, den es einmal vor Ort gab. Auch eine andere Oase wurde gegründet. Pabeser. Diese befindet sich auf halbem Weg zwischen Wasia und Athopona.
Während die Nomaden weiterhin die Insel in alle Himmelsrichtungen bereisen, wurde der Titel des Königs abgeschafft und stattdessen wurde der Sultan der neue Stammesführer über alle Sande. Doch trotzdem konnte die Insel ihren alten Glanz niemals zurückerlangen. Alle Versuche, die Natur wiederzubeleben, waren größtenteils erfolglos und man sagt, dass die Wüste so lange Wüste bleibt, bis die schlechten Angewohnheiten der Inselbewohner*innen ihr Ende gefunden haben.
Nun noch ein kleiner Einwurf zu den Nomaden. Diese mittlerweile eher kleine Gruppe sind die letzten, die noch ohne Einschränkungen an den Phoenix glauben. Sie haben eine hohe Verbindung zu der Natur, wodurch ihnen auch gerne eine starke Spiritualität nachgesagt wird.
Als die Insel kurz davor stand vollständig „unterzugehen“, kam die Rettung in Forme eines längst vergessen Buches, nämlich die Chroniken des Phönix vom Erleuchteten des Kängurus und der Glauben brachte Ruhe in das Chaos. Seitdem ist der Glaube an das Känguru, welches das Geschick der Leute leitet, ganz im Namen des Phönix so wie Eber, Fuchs, Adler und Wal.
Die Leute glauben an das Känguru und fürchten, vielleicht auch einige wenige verachten, den Phoenix, der dieses einstige Paradies zur Hölle auf Erden gemacht hat.
Und damit sind wir schon im Heute angekommen meine lieben Leser*innen. Ich weiß, es ist nur eine kurze Zusammenfassung und es gibt noch so viel mehr zu erfahren und ja, ihr könnt gerne jederzeit bei mir nachfragen.